
Als 1888 die brasilianische Monarchie unter enormem Druck des britischen Königreiches die Sklaverei in Brasilien endlich abgeschafft hat, wurden die ehemaligen Sklaven sich selbst überlassen. Es waren etwa 750.000 Menschen von 14.333.915 (Volkszählung von 1890), die noch als Sklaven gehalten wurden, etwas über die Hälfte aller in Brasilien lebenden Menschen.
Nun waren sie frei und mussten ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Diese Geschichte voller Leiden, politischer und sozialer Verachtung ist lange, traurig und ärgerlich.

Sklaven, 1872. Archive des brasil. Senats

Foto: Arquivo do projeto Monumenta

Diese schwarzen Brasilianer gesellten sich zu weissen, anderen schwarzen Brasilianern und viele Indianern, die in den Randgebieten von Großstädten (Favelas) lebten, um irgendwie weiter in Gesellschaft leben zu können. In Gesellschaft kann man sich gegenseitig auch in Notsituationen helfen, es entwickelt sich eine Symbiose. Im herrschenden Establishment wurden die schwarzen und indigenischen Brasilianer zwar aufgenommen, jedoch wurde sie “Sklaven” von dessen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen. Die aller meisten indigenischen Brasilianer wanderten zurück in andere Lebensräume in den Wäldern, weil die meisten diese Art ein “Sklavenleben” nicht aushielten. Deren Kultur verlangte den Wald, um in Frieden mich sich zu leben. In den Städten, in denen man überhaupt arbeiten finden, auf den Strasse etwa Handel betreiben oder auf den Farmen der Eliten etwas verdienen konnte, führten die armen schwarzen und weissen sowie einige indigenischen Brasilianer ihr Leben fort. Der Kampf dieser Menschen ums Übereben war lang und leidvoll, weil die Eliten des brasilianischen Kaiserreichen (Kaffeeoligarchen, etc.) und später der Republik (ab 1889) lieber europäisch denken und handelten. Die europäische Kultur beherrschte alles im brasilianischen herrschenden Establishment und alles brasilianisch wurde als minderwertig angesehen und behandelt, inklusive die brasilianischen Menschen.
In die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in dem Süden und Südwesten wurde massiv investiert, dagegen, in die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in den anderen Regionen Brasiliens, vor allem im Nordosten, wurde über ein Jahrhundert kaum investiert. Im Nordosten installierte die Republik sogar eine Herrschaft von Coroneis (Oberst ohne militärische Patent, aber mit entsprechender Macht ausgestattet), die die Massen der Menschen politisch und wirtschaftlich kontrollierten. In meiner Geburtstadt gab es zwei Coroneis. Ich erlebt dort Kämpfe der zwei miteinander verfeindeten Coroneis, die ihre “Capangas” (Männer, die die kriminelle Arbeit erledigten) hielten.
Kaiserreich und Republik hielten bis etwa Beginn der 90er Jahre nichts vom brasilianischen Mensch. Alles brasilianisch war für sie ein Synonym für Minderwertigkeit und die Menschen blieben sich selbst überlassen. Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrieben die Herrscher Brasiliens sogar ganz fleissig den Import von Menschen aus Europa und investierten kräftig in ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung als Immigranten in Brasilien. Jede deutsche Familie erhielt 77 Hektar Land sowie finanzielle Unterstützung für zwei Jahre, Vieh, Saatgut und landwirtschaftliche Geräte, damit sie ihren Start in der neuen Heimat leichter gestalten konnten. Später als diese Hilfe nicht mehr gewährt wurde, half der deutsche Staat ihren Auswanderern und ihren Nachkommen mit viel Geld und anderen Mitteln, damit sie sich nicht verbrasilianisieren liessen. Während der letzten deutschen beiden Reichen konnten die deutschen Immigranten und ihre Nachkommen mit massiver Unterstützung des wilhelminischen und des hitlerischen Reichs rechnen, denn sie strebten den Süden Brasiliens vom übrigen Land zu spalten, um ein Neudeutschland zu gründen.
Vor allem dank der brasilianischen Kultur und unserer Geographie wurde der Süden vom übrigen Brasilien nicht getrennt. Die sich in Brasilien rasch verbreitenden Elemente brasilianischer Kultur, wie die brasilianischen Rhythmen, die lockere Lebensart, die Lebensfreude und die ausstrahlende Energie der wunderschönen Natur Brasiliens penetrierte auch die hartnäckigste Haut und wirkte sanft auf die Sinne aller Menschen von Nord bis Süd in Brasilien, auch bei den hartnäckigen Deutschen, die ihr Deutschtum so intensiv pflegten (und weiterhin pflegen), war es nicht anderes. Die brasilianische Jugend deutscher Abstammt verlor das starke Interesse am reinen Deutschtum und verbrasilianisierte sich auf natürliche Art und Weise.
Was Brasilianer verbindet, ist auch eine Art Brasilientum, um einen synonymen Begriff zum Deutschtum zu verwenden. Jedoch dieses “Tum” wird nicht von einer Regierung, ihrem Staat, ihrer Kirche und den Unternehmen des Landes in die Seele der Menschen mit allen Mitteln eingehämmert und gepflegt, sondern es geschieht ganz natürlich, sobald man in dieses Energiefeld Brasiliens hineingerät und sich dort eine Weile aufhält. Es bedarf keine besonderen Nachhilfe.
Ur-Religion, Blut und Ur-Kultur haben sich von Nord bis Süd im Verlauf der Zeit in Brasilien so vermischt, dass man heute in Brasilien kaum einen Kaffeeschwarzen Brasilianer mehr finden, jedoch jede Menge Schattierungen dieser wunderbaren Mischung von Menschen, die auch von Nord bis Süd eine einzige Sprache sprechen. Die Brasilianer haben eine Kultur, die Ausgrenzung kaum kennt. Vielleicht kommt es davon, dass man so lange so arm war, dass die meisten Brasilianer kaum Kontakt zu Europäern oder Menschen aus den Industrienationen hatten.
Später, nach der Gründung der Republik (1889) nach einigen Jahrzehnten der wirtschaftlichen Vernachlässigung des Nordostens Brasiliens, etwa ab Mitte der 50er Jahre gab es mehrere migratorische Bewegung von Nordestinos (Menschen aus dem Nordosten), die zur erneuten Verschmelzung von regionalen Kulturen innerhalb von Brasilien führte. Menschen aus dem Nordosten mussten oft massenweise, vor allem während der langanhaltenden Dürreperioden, die etwa alle 35 Jahre die Region heimsucht, in den Süden und Südwesten Brasiliens migrieren, um Jobs zu finden. Diese Menschen aus dem Nordosten, die aus dem Nordosten auswandern, sind unter der Bezeichnung “Retirantes” bekannt geworden. Ich bin ein Retirante, weil Ich den Nordosten 1983 gegen Deutschland tauschte.
Bis ende der 80er Jahre grassierte die Plage der Armut mit allen seinen Konsequenzen vor allem im Nordosten Brasiliens, der Region, die heute noch als die wirtschaftlich am wenigsten entwickelten Region Brasiliens gilt. All das mit allen damit zusammenhängenden Konsequenzen, unter denen wir heute noch leiden, hat die Lebensfreude der Brasilianer nicht genommen. Dafür spricht die Art und Weise wie Brasilianer von Nord bis Süd und im Ausland leben.
Die brasilianischen Musik, Tänze und Herzlichkeit sind Ausdruck der Lebensfreude der Brasilianer. Sie lassen in der brasilianischen Seele schöne Gefühle entstehen und ihrem Leben einen positiven Sinn geben. Sie sind starke kulturellen Elemente, die ihnen bei helfen, die miserablen Ergebnisse der politischen Arbeit von Politikern, die sich noch als Brasilianer bezeichnen, zu ertragen und den demokratischen Kampfgeist gegen diese politische Inkompetenz zu stärken.